Sizilien im Juni 1999

16.6.99
Endlich Urlaub! Ich bin voller Erwartung, weiß nicht, ob wir das überhaupt schaffen, und was uns alles begegnen wird. Mit Hanne bin ich nun seit einem Jahr zusammen. Ich habe keine Ahnung, wo ihre Grenzen liegen. Kann sein, dass schon in den Alpen alle Pläne geändert werden.

Zunächst – Aufbruchshektik. Wie eigentlich immer wird alles erst in den letzten Minuten fertig, buchstäblich. Zuhause hilft André noch, die Gepäckträger anzubauen. Den für Hanne habe ich allerdings erst am Vormittag gekauft, nachdem die bestellten Träger nicht pünktlich eingetroffen sind. Alle sind leicht entnervt, aber wir schaffen es gerade noch zur Bahn. Auf der langen Fahrt nach Lausanne fällt langsam die Hektik ab, wir haben endlich mal Zeit im Überfluss. Das stimmt uns schon mal schön auf Urlaub ein.

17.6.
Lausanne. Einer meiner Lieblingsorte. Man kommt mit der Bahn von Bern. Es ist zwar die Schweiz, aber bis Lausanne sieht man kaum richtige Berge. Es geht noch durch ein paar Weinberge und Tunnel, und plötzlich öffnet sich der Blick auf den Genfer See und die gewaltigen Walliser Alpen. Da hüpft das Herz.

Wir haben inzwischen festgestellt, was uns alles fehlt und was nicht funktioniert. Zum Beispiel der nagelneue Gepäckträger. Wir bekommen ihn einfach nicht fixiert. Also Geld wechseln und den nächsten Fahrradhändler suchen. Der verkauft uns genau das Billigding, das ich zuhause nicht haben wollte. Es muss mit Lenkerband und ein paar zusätzlichen Schellen getrickst werden, aber nun hält das wenigstens. Kostet mal eben 100 Mark, weil der Händler uns natürlich schamlos ausnimmt.

Aber jetzt geht es richtig los. Nämlich genau 2 km bis zum ersten Platz, an dem man zum Genfer See vordringen kann. Wir schwimmen und essen – aber jetzt muss es doch wirklich richtig losgehen. Wir kommen heute am westlichen Rand des ebenen Rhone-Tals über Monthé noch bis St. Maurice. Vorbei am Val de Illiez, das ich aus dem Winter ganz gut kenne.

Hotel Dents-Du-Midi. Ist das ein langweiliges Haus! Die Schweiz ist sowieso eher langweilig, außer man bezahlt ordentlich.

18.6.
Ganz früh fahren wir weiter, und nun geht es stetig bergan. In Martigny biegen wir rechts ab in Richtung Alpen-Hauptkamm. Hier bin ich gerade vor 9 Monaten aus dem Zug gestiegen und habe meine vorige Tour begonnen. Die restlichen Besorgungen werden erledigt. Hier kenne ich mich nun schon aus. Es ist interessant, alles mit dem Wissen, was kommen wird, wiederzusehen. Natürlich sage ich Hanne NICHT, was kommt.

Es geht richtig bergauf. Von 470 m bis auf 2.560 m. Nach zwei Stunden hat Hanne Schwindelgefühle und das Gesichtsfeld engt sich ein: Tunnelblick. Das kenne ich schon. Das macht die fehlende Höhenanpassung und die Belastung des Kreislaufs. Mir geht es nicht besser. Das ist aber nicht kritisch. Man muss eben nur langsam immer weiter machen, dann kommt man notwendigerweise irgendwann oben an.

In Bourg St. Bernard, auf 1.600m essen wir erst mal schön. Es geht uns gleich besser. Gleich nach dem Ort beginnen die Tunnel und Lawinengalerien. Man fährt praktisch immer in einer Betonröhre. Es ist höllisch laut und eng, weil allerlei Lastzüge hier die Alpen überqueren. Auf der Fahrbahn liegt allerlei Eisenzeug herum.

Kurz vor dem eigentlichen St. Bernhard-Tunnel dürfen wir dann wieder raus ins Freie. Die alte Passstrasse, die richtig oben rüberführt, wird nur noch von wenigen PKW benutzt. Sie auch noch mal steiler.

Jetzt, im Juni, sieht man noch viele Schneeflecken. Hier geht der Winter gerade erst zu Ende, es ist Frühling. Ziemlich kalt. Diesmal haben wir auch dafür die passende Kleidung mit und so geht es Kilometer um Kilometer weiter steil bergauf. Zugegeben: Wir schieben die Räder auch mal. Jedenfalls kommen wir oben an, auf 2.560 m, spielen ein bisschen im Schnee und verlassen den Pass so schnell wie möglich wieder. Wir haben wohl auch nur ein Wolkenloch erwischt, denn auf der Abfahrt können wir sehen, dass der Pass wieder in fürchterlich schwarzen Wolken verschwindet.

Großer St. Bernhard Pass.
Ja, von hier, aus dem Kloster, kommen die Bernhardiner ..

Jetzt sind wir aber auf der Südseite des Alpenkammes. Die Blütenpracht aus Enzian und Anemonen ist unbeschreiblich. Dazwischen noch ein bisschen Schnee. Es ist doch viel schöner als auf der Nordseite. Außerden sind wir endlich in Italien.

Es geht zwei Stunden bergab. Kaum vorstellbar, dass wir heute die gleichen Meter hochgefahren sind. Die Bremsen und Felgen sind so heiß, dass ich Angst um die Reifen habe.

Aosta. Es wird Abend. Wir wollen noch so lange weiterfahren, bis wir ein richtig schönes Hotel finden. Aber dann ist es wieder nur irgendein Hotel, und irgendeine Gaststätte. Wir können nicht riskieren, in die Dunkelheit zu kommen. Verschieben wir das süße italienische Leben auf morgen.

19.6.
Auf dem Weg durch das Aostatal kommen wir weiter nach Süden. Früh begegnen wir einem Bäuerlein, das mit Hilfe eines Regenschirms seine Wasserkanonen einstellt. Schirm vor – anpirschen – Schirm kurz runter – zufassen – und schon ist er wieder nass. Lustig.

Wir kommen an vielen Burgen vorbei. Es ist ein fruchtbares warmes Tal zwischen ganz hohen Bergketten. Man kann sich schon vorstellen, dass früher jeder Fürst seinen Besitz zu schützen hatte, und dass man Befestigungen gegen Eindringlinge brauchte. Die Burgen sitzen manchmal auf abenteuerlich steilen Felsen, ein andermal sperren sie buchstäblich das ganze Tal ab. Es geht immer noch ordentlich bergab.

Schließlich wird das feuchte Wetter wieder durch Regen abgelöst. Wir gönnen uns in Ivrea noch einen Espresso und ein schönes Eis, dann nehmen wir doch den Zug nach Genua. Fahren im Regen muss dann doch nicht sein, wir sind schließlich auf Sonne, Hitze und Urlaub eingestellt.

Diesmal sehe ich die Küstenalpen nur aus dem Bahnfenster. Ist auch ganz schön. Im Jahr zuvor habe ich mich hier ganz schön gequält. Nach einer Bergkette kommt immer noch eine Bergkette, und dann ganz zuletzt die Abfahrt zur Küste. Diesmal also Tunnel, Tunnel und dann plötzlich Genua. Das Meer.

Wir haben natürlich noch reichlich Zeit. Die Fähre geht um 20 Uhr. Wir werden also mal Genua besichtigen. Die Straße führt uns ganz hoch in die Vororte, und so sind wir froh, als es irgendwo wieder runtergeht zum Hafen. Wir versorgen uns mit Futter und Wasser für die nächsten Tage und fahren zum Hafen.

Schön, wenn man sich da auskennt. Das ist kein Allerweltshafen, hier ist richtig Betrieb. Die Straßen liegen auf mehreren Ebenen. Wir müssen ein bisschen warten und gehen mit den Fußgängern als Erste an Bord unserer Fähre. Dann können wir in Ruhe von oben die Beladung ansehen. Was so reingeht in die Fähre! Unglaublich!

Und jetzt – Ablegemanöver. Es ist inzwischen auch dunkel. 24 Uhr.
Bis Palermo haben wir 20 Stunden, um uns endlich RICHTIG zu erholen und auf Sizilien zu freuen.

20.6.
Abends in Dunkeln Ankunft in Palermo. Wir sind schnell von Bord und ebenso schnell vor dem mir schon bekannten Hotel. Es ist ja kein schönes Hotel, aber es steht halt gleich beim Hafen. Sie haben auch noch Platz. Der Hinweis auf das letzte Jahr (Dauergast ?) bringt leider keinen Rabatt.

Hanne ist ziemlich entsetzt beim Blick aus dem Fenster auf den Hinterhof. Da stehen praktisch nur Ruinen mit kaputten Dächern. Man kann aber sehen, dass dort normal gearbeitet wird. Auf der anderen Seite sieht es nicht viel besser aus.

Wir stellen die Räder in einer finsteren Garage ab (10 DM/Nacht). Hier stehen sie ganz sicher. Ein riesiger Hund passt auf. Hoffentlich gibt er sie wieder heraus.

Dann wollen wir mal Palermo bei Nacht kennenlernen. Um es abzukürzen: Entweder wir hatten Pech, oder es ist wirklich ALLES desolat. Wir haben uns ja an den Reiseführer gehalten, aber so richtig sehenswert war das dann doch nicht. Auch nicht die erwarteten Cafés und Boulevards. So gibt es halt auch kein Foto von Palermo. Man muss nicht dagewesen sein!

21.6.
Früh das letzte „Continental Beakfast“ wie man es in einem Hotel erwartet. In Zukunft müssen wir uns beim Bäcker oder irgendwo unterwegs versorgen. Es sollte keiner versuchen, in einem normalen süditalinischen Hotel ein Frühstück zu bekommen!

Wir fahren in Richtung Westen. Der Badeort von Palermo heißt Mondello. Dort liegen die Villen und die Badestrände.

Aber da sind auch fette, steile Berge von 500, 700, 900 m gleich am Meer. Wir haben sie schon von Schiff aus gesehen.

Wir fahren bis Capo Gallo, in der Hoffnung, dass es einen Weg um den Monte Gallo herum gibt. Leider Fehlanzeige. Da hatte die Karte mal recht. Wir halten uns also an die „normale Straße“ und erreichen gegen Abend Castellamare del Golfo.

Das war ein Tag mit vielen Ortschaften. Die ersten Begegnungen mit den Sizilianern. Als Radfahrer begegnen wir ihnen auf Augenhöhe, nicht wie Touristen. Touristen werden kaum da anhalten, wo wir absteigen. Wir sind total abhängig vom normalen Leben. Wir haben uns anzupassen, sonst funktioniert die Reise mit dem Rad nicht. Wenn Hunger, Durst oder Dunkelheit kommen, müssen wir die nächste Ortschaft suchen, spätesten die übernächste. Da können wir nicht wählerisch sein.

Am nächsten Tag begegnet ein deutschen Ehepaar, das wir für Einheimische halten, und das uns seinerseits in englisch anspricht. Wegen der Fahrräder. Mit diesen Maschinchen fallen wir doch auf. In Sizilien sind Radfahrer selten. Radfahrer findet man eigentlich nur im Norden, da, wo die Touristen sind. Im Westen und Süden sind wir allein. Ich glaube, wir haben auf der ganzen Fahrt überhaupt keine Landsleute gesehen. Gott sei Dank auch.

Also Castellamare, ein Bilderbuchort. Eine große Bucht am Meer, ein kleiner Hafen mit alten Fischerbooten und Motorrollern. Die Leute, junge wie alte, promenieren in ihren Autos und auf ihren Rollern: Durch den Hafen bis zum letzten Punkt der Mole, dort wenden und wieder zurück. Sie kommen öfter vorbei, die Jungs lieben das wohl. Wir essen und richtig satt in einer Pizzeria im Hafen. 

Unser Blick fällt auf ein Hotel ganz hoch am Berg. Steht riesig dran: BELVEDERE. Wir müssen morgen sowieso den Berg da hoch, aber ob das Hotel offen ist? Immerhin ist Vorsaison. Na ja, wir riskieren es. Eine Stunde Plackerei. Und es ist wirklich offen. Das schönste Hotel der ganzen Reise mit einem grandiosen Blick über den Ort und die Bucht. Wie ein Adlernest. Abends gehen wir noch in ein Ristorante, das in der Nähe liegt. Das ist doch tatsächlich rund um einen dicken Baum gebaut, der jetzt mitten im Raum steht.

22.6.
Heute wollen wir mal weg von der Straße und das Capo San Vito umrunden. Sieht gut aus auf der Karte. Leider wird die Straße hinter dem Ort Scopello zur Schotterpiste, dann zum Feldweg. Dann kommt die Grenze des Reservats Zingaro. Wir gehen mal zu Fuß nachsehen: ein Fußweg, Tunnel, steiles Gelände, Stufen, Disteln. Nichts zu machen. Wir müssen wieder zurück auf die Straße.

Die Straße führt richtig weg von Meer, das bedeutet: Hitze, Berge. Mittags sind wir in Valderice und kaufen einen Obststand leer. Kirschenzeit. Wir haben jeden Tag sicher 2 kg Kirschen verdrückt. Erstaunlicherweise hat das komische Essen tagsüber, bestehend aus Kirschen, Melone, Pfirsichen, Wasser und wenig festen Nahrungsmitteln, keine fatalen Folgen gehabt. Richtig Festes gegessen haben wir meist nur abends.

Hinter Valderice kommt ein ganz erstaunlicher und interessanter Ort: Erice. Da erhebt sich aus einer Ebene ein 500 m hoher Felsen, und oben drauf ist ein Ort. Er nimmt erkennbar den gesamten Gipfel ein. Der ganze Ort ist von Mauern und Festungsanlagen umgeben. Die Mauer geht direkt bis an den Rand des Felsens.

Aber mit den Rädern da hoch? Es ist nicht mal eine Auffahrt zu sehen. Vielleicht geht es wieder durch einen Tunnel. Wir fahren lieber außen herum weiter, an der Küste entlang. Aber wenn es wieder mal eine Gelegenheit gibt: Erice muss man gesehen haben.

Vor Trapani essen wir wieder Kirschen. Der Händler erzählt uns tolle Stories aus seiner Zeit in Berlin, und dass er sich jetzt mit dem Geld aus Deutschland selbständig machen will. Aber warum in dieser gottverlassenen Gegend? Es gibt nicht so die richtig schönen Sandstrände hier. Viel Kraut, keine Pflege.

Wir baden übrigens trotzdem öfter. Besser ist es sicherlich, wenn auch Süßwasser, eine Dusche und etwas Komfort da ist. Sonst ist das Salz auf der Haut eine echte Belastung. Irgendwie fühlt man sich immer klebrig.

Bald kommen wir nach Trapani. Das ist das absolute Ende Siziliens im Westen. Weiter in dieser Richtung kommt Afrika. Ist gar nicht weit.
Der erste Knick in unserer Route. Alle Reiseführer zeigen tolle Bilder von Trapani: Ketten von Riffen, Inselchen usw. Wir haben das leider nicht gefunden.

Wir stehen auf dem letzten erkennbaren Ende der Mole. Starker Wind, Autocorso wie immer. Aber keine Inselchen. Und überhaupt: nicht das, was wir erwartet hatten. Kein schöner Hafen mit Kneipen. Vielleicht haben wir die „Meile“ einfach verpasst.

Es ist jedenfalls noch Zeit bis zum Abend. Wir werden es noch bis Marsala schaffen. Der Reiseführer spricht von ganz toll sehenswerten Salinen unterwegs. Das sind Anlagen, in denen Salz aus Meerwasser gewonnen wird. Das Wasser wird mit Hilfe von Windmühlen in flache Becken gepumpt, es verdunstet, und auf dem Boden bleibt Salz übrig. Es ist auch ganz interessant, und es funktioniert noch, aber es ist wie im Mittelalter.

Und es ist extrem heiß. Irgendwie gibt es in der Gegend kein Ristorante, keine Bar, kein Wasser. Also schauen wir uns das nicht richtig gründlich an, sondern düsen schnell weiter.

Und dann kommts. Marsala. Uns werden von Einheimischen zwei Hotels genannt, die schon mal nicht so leicht zu finden sind. Das erste: keine Chance, voll. Nur noch ein Versuch! Bis zum nächsten Ort Mazara wären es wieder 25 km.

Das zweite heißt „President“. Davor wehen viele europäische Fahnen, das lässt nichts Gutes ahnen. Wenn sich in dieser Gegend ein Hotel international gibt, dann ist es teuer und trotzdem nicht besser als die anderen. Wir wollen lieber doch am Leben in Sizilien teilhaben. Lieber wäre uns eine kleine Herberge. Aber wie wir so schweißtropfend und mit den staubigen Rädern vor der Rezeption stehen, gibt dann doch ein Zimmer. Wir essen abends in einer 0-8-15 Bar und freuen uns auf den nächsten Tag. Dabei ist Marsala der Ort, der einem Rotwein den Namen gibt. Auch hier: Nichts Interessantes für Touristen.

23.6.
Früh geht es kurz zum Bäcker über die Straße, da sind wir wieder mittendrin im Alltag. Das ist schön. Ab Richtung Süden. Mazara soll laut Reiseführer einen der größten europäischen Fischereihäfen haben. Mehr als 10 Tausend afrikanische Arbeiter sind hier am Werk, es gibt eine richtige Kasbah (Marktstadt) und arabisches Leben. Leider können wir nicht jedes Highlight mitnehmen.

Hinter Mazara geht es direkt an der Küste entlang. Weil es keine Fotos gibt und keine Erinnerung, kann es so schön nicht gewesen sein. Aber an eines können wir uns beide doch genau erinnern: Wir kamen durch eine riesige Ebene, die vollständig mit Tomatenplantagen besetzt war.

Eine staubige Straße, rechts und links Folienzelte, dazwischen Gassen, durch die zu sehen ist, dass auch in diesen Richtungen immer nur noch mehr Folienzelte kommen. Kein Schatten, kein Wasser. An einer kleinen Anhöhe vermisse ich Hanne hinter mir. Sie lehnt an einer Steinmauer und kann nicht mehr: k.o. durch die Sonne. Puterrot. Unter Schlangenkakteen(!), die übrigens wunderschöne Blüten haben, finden wir ein bisschen Schatten. Es gibt im Süden keinen Rasen, Wald, keinen Schatten. Man legt sich halt einfach in den Staub.

Schließlich fahren wir weiter, und irgendwann kommen wir nach Campobello die Mazara. Das ist zwar auch kein Garten Eden, aber es muss uns wohl so vorgekommen sein.

Nach 14 Uhr fahren wir weiter, es bleibt elend heiß. Der Reiseführer sagt, dass wir unbedingt nach Selinunte müssen, das ist ein Ausgrabungsort mit Weltbedeutung und er liegt nur 5 km abseits der Straße. Aber als wir sehen, dass es dorthin bergab geht, passen wir. Schließlich müssten wir wieder hier hoch. Auch heute – keine Geschichte oder Kultur für uns! Wir sind schon etwas zermürbt.

Die Karte zeigt, dass hier eine Bahnlinie nach Sciacca führt. Direkt an der Küste gibt es keine Straße. Wir sind nun bereit, diese öde Gegend mit Hilfe der Bahn zu durchqueren. Wir suchen den Haltepunkt, suchen und suchen. Und finden schließlich ein verwildertes Gleis – unbenutzt seit vielen Jahren. Nach der Karte ist Sizilien von Bahnlinien überzogen. Ich habe allerdings nirgendwo eine funktionierende Bahn gesehen.

Es geht durch eine schilfbestandene Ebene. Hitze. Ein Schild „Porto Palo“. Da muß doch ein Hafen sein! Hafen, Hotel, Meer, Badestrand. Wir riskieren es mal wieder und fahren von der Straße ab.

Porto Palo! Wenn wir mal alt sind, lassen wir uns hier nieder. Es ist zwar nichts los in Porto Palo, aber es ist alles wie zu Urzeiten, bescheiden, friedlich. Die Uhr tickt einfach langsamer.

Wir trinken uns erst mal satt und gehen dann um das leere Hafenbecken auf die Mole. Doch, ein fremdes Schiff ist da, eine altertümliche, perfekt gepflegte Yacht. Außer zwei Stewards ist niemand zu sehen. Die beiden haben Messing zu putzen. Da hat noch jemand den Frieden in Porto Palo gefunden. Vom Ende der Mole muss Hanne dann unbedingt ins Wasser springen und zum Strand zurückschwimmen. Gibt es hier eigentlich Haie ?

Abends besuchen wir das örtliche Ristorante. Wir sind die einzigen Gäste. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass hier keiner auf einen Gast wartet. Die erschrecken sich richtig, als wir kommen. Hab ich schon gesagt, dass wir uns in diesem Urlaub weitgehend von Muscheln ernährt haben? Auch hier ein Riesenteller voll heißer schwarzer Muscheln mit einem Kräuteraufguß und Knoblauch. Vom Strand kommen fette schwarze Käfer, die landen unbeholfen irgendwo. Der Hund frisst sie dann. Wir schaffen es, Käfer und Hund zu ignorieren.

24.6.
Früh ist wieder schönstes Wetter. Die beiden Tage waren es etwas hart, aber heute sind wir gut drauf. Wir versuchen es gar nicht erst mit Frühstück im Hotel und sind schon um 9:00 Uhr in Sciacca. Wir fahren gleich in den Hafen, und sehen zunächst nur Unmengen von Rost.

Schließlich eine Bar „Del Porto“ im letzten Winkel des Hafens. Hier wollen wir frühstücken. Ein Fischer, der uns beobachtet, bietet sich an, uns zu fotografieren. Und dann hat er Hanne eine ganz schöne schneckenförmige Muschel geschenkt. Die ist groß und zerbrechlich, aber Hanne hat sie trotzdem den ganzen weiten Weg mitgenommen und heil nach Hause gebracht. Es ist eines der wenigen Bilder, auf denen wir mal zusammen zu sehen sind. Sonst habe ich uns höchstens mal aus der Hand mit dem Weitwinkelobjektiv fotografiert.

Mittags sind wir schon in Agrigent. Ich habe keine Erinnerung an die Stadt. Dabei gibt es viele weltberühmte Tempel (Val dei Templi – das Tal der Tempel), die wir auch abseits der Straße sehen. Der Süden Siziliens ist durch die griechische Antike geprägt. Aber wir halten uns nicht auf. Es ist zu heiß. Abends finden wir diesmal einen Campingplatz und mieten einen großen schmucklosen Betonbungalow in San Leone.

25.6.
Wir finden unterwegs schöne Badestellen mit weißem Sand. Es ist den ganzen Tag über nicht viel passiert. Wir haben Kilometer gefressen. Abends gehen wir ins Hotel Oasi in Scoglitti. Nichts Besonderes zu vermelden.

26.6.
Im Nest Donnalucata, es ist immer noch ganz früher Morgen, stoßen wir auf einen Fischmarkt. Es gibt alles, was man sich vorstellen kann. Schwertfische mit über 1m Länge, Hummer. Alles ganz frisch. Es lockt einzukaufen, aber was sollen wir mit dem Fisch machen?

Wir schaffen mächtig Kilometer. Am Nachmittag leisten wir uns noch mal einen Abstecher und folgen dem Kulturführer nach Noto. Noto ist eine vollständige Barockstadt aus gelbem Sandstein. Leider, leider nagt auch hier der Zahn der Zeit, ohne dass jemand eingreift. Die meisten Gebäude sind verlassen, teilweise brutal mit Eisenankern durchbohrt, zusammengehalten und bandagiert. Aus dieser Epoche ist bei uns viel mehr und sehr viel Besseres erhalten. Noto ist ein lokales Highlight, mehr nicht. Aber prima Eis gibt es in Noto, wie überall. Außerdem schlagen wir uns den Bauch mit Kirschen voll, unserem zweiten Grundnahrungsmittel auf dieser Tour.

Noch ein paar Kilometer, dann wird es Abend. Wir sehen auf der Karte einen abseits gelegenen Ort namens Fontane Bianche, ein Name, der auf Strand und Flair hoffen lässt. Da finden wir auch Villen und alles, aber kein Hotel, keine Pension. Als wir am Ortsausgang sind, wird klar, dass wir den nächsten größeren Ort, Siracusa, nicht mehr vor der Dunkelheit erreichen können. Die Dämmerung ist kurz im Süden, die Nacht kommt ganz plötzlich.

Also fragen wir an der letzten Tankstelle nach Quartier, und ein Halbstarker ruft daraufhin seine Mama an. Dann sollen wir warten, und tatsächlich kommt eine halbe Stunde später ein Fiat und lotst uns eine ganze Strecke weg vom Meer auf einen Hügel. Ich habe Not, mir alle Ecken und Kurven zu merken, schließlich müssen wir morgen hier wieder raus. Aber dann kommen wir zu einer gepflegten Villa mit grünem Rasen. Das ist schon mal etwas seltenes, das Gras ist sonst immer völlig verdorrt und man kann sich nirgends einfach mal hinlegen und ausruhen.

Wir bekommen eine perfekte Gästewohnung mit einem riesigen Bad vollständig aus Marmor. Das muss Unsummen gekostet haben, aber das Quartier kostet nicht viel. Das heißt: ich frage erst mal, ob wir hier auch etwas essen können. Wie sollen wir abseits der Straße eine Gaststätte finden ? Aber die Frage war unnötig: sie hatten uns schon zum Essen eingeplant. Ich gebe also den ganzen Rest Bargeld hin. Ich sage der Mama, dass es soviel ist wie es ist – nicht viel. Sie ist trotzdem zufrieden. Sonst kann man überall im Land mit Karte bezahlen, aber privat natürlich nicht.

Beim Essen in der Familie, in einer untypisch sehr kleinen Familie, kommen wir mit noch einem Gästepaar zusammen, das uns in allen möglichen Sprachkombinationen die bunte Geschichte Siziliens und alle ganz wichtigen Sehenswürdigkeiten erklärt. Das sind durchaus nicht immer Ruinen. Im Inneren der Insel haben sich Völkergruppen ungestört mit ihren Bräuchen erhalten, z.B. Albaner. Mit dem Rad haben wir natürlich keine Chance, dieses Wissen auszubeuten. Das bedaure ich schon, denn genau dies sind die seltenen Gelegenheiten, mal richtig einzudringen in das Land und das Volk bzw. die Völker.
Und das Essen: Immer kommt noch ein Gang hinterher, Suppe, Salat, Oliven, Pizza, Fisch und Muscheln. Ein Fest! Außerdem sehr praktisch: Wir können mal wieder „große“ Wäsche in der Maschine waschen, und auf einer richtigen Leine trocknen.

27.6.
Wir finden glücklich den Weg zurück zur Uferstraße. Ruck zuck sehen wir Siracusa auf der anderen Seite einer Bucht liegen. Ist dies das viel besungene Syracus? Der Himmel ist immer noch morgenrot. Die Stadt glüht rosa. Wir cruisen ganz durch bis in die Altstadt, schauen Kirchen und Häuser an und frühstücken wohl 3 mal hintereinander.

Aber irgendwann müssen wir doch wieder los, und wieder kommt ein langweiliges Stück Strecke. Eine Halbinsel scheint interessant: Penisola Magnisi. Sieht auf der Karte aus wie ganz viel Badestrand. Bald müssen wir uns aber durch Industrienanlagen quälen, und es scheint, als ob der Badestrand nur das Feigenblatt für die Chemiewerke ist, die hier eins am anderen stehen. Auf der einen Seite der Straße: Industrie. Auf der anderen: totales Strandleben und sauberes Wasser. Man sollte es nicht glauben.

Wir schieben uns durch Autokolonnen, erkennen, dass die Halbinsel selbst ein Militärgelände ist und sind letztendlich froh, wieder auf die Hauptstraße zu kommen. Dann nähern wir uns Augusta. Auch diese Stadt sieht auf der Karte interessant aus, vielleicht ähnlich Siracusa.

Aber was sind das für Molen? Es ist ein riesiger Ölhafen mit 10×10 km Hafenbecken. Wir sind weit ab, aber von hier sieht das Wasser jedenfalls so schwarz aus wie Öl. Über unseren Köpfen schweben jede Menge Autobahnen auf Stützen. Das Leben spielt sich über unseren Köpfen ab, und wir sind nur die Ameisen im Dreck. Diese Hitze! Kein Wasser, kein Laden. Das geht noch lange so weiter mit Chemiewerken und Pipelines.

Irgendwann nähern wir uns Catania. Wir sind ziemlich breit und suchen eine Stelle zum Ruhen. Kein Flecken grünes Gras, wie überall. Mitten in der Stadt, vor dem Bahnhof finden wir dann unsere Oase: Gras, Palmen, Springbrunnen. Es stört uns nicht, dass da ein Kreisverkehr herum geht, und dass uns wohl 10000 Autos umrunden: wir schlafen erst mal. Der Radler muss da Pause machen, wo er umfällt.

Tatsächlich haben wir an diesem Tag kein Ristorante besucht, nur eine Melone gekauft. Das ist auf einem „Pass“, jedenfalls auf einer Anhöhe, die uns ganz schön Schweiß kostet. Wir essen und schlafen buchstäblich auf dem hölzernen Stuhl ein.

Es liegt irgend etwas Bedrohliches in der Luft, so etwas wie Gewitter. Es grummelt. Beim Weiterfahren sehen wir es dann: Der erste Blick auf den Ätna. Ist das ein Riesenberg! Der Vulkan ist tatsächlich immer aktiv, man hört es schon in Catania, und man sieht immer die Rauchwolke am Gipfel. Und er ist hoch: 3.323 m, viel zu hoch für einen Abstecher. Zuhause hatte ich mir so gedacht, dass man doch mal versuchen müsste, da hochzufahren. Das wäre ja noch der Kick gewesen! Aber nun hat sich der Drang nach Extremen schon deutlich abgenutzt.

Am Nachmittag kommen wir dann in Aci Castello an, wo eine beeindruckende normannische Burg steht. Ich muss das jetzt mal genau beschreiben:
Wir sehen hier ein Kastell, das 1076 von den Normannen erbaut wurde. Es lag damals noch auf einer kleinen, felsigen Insel. Durch vulkanische Eruptionen unter Wasser hob sich die Küste seit dem Mittelalter um 17 Meter und das Kastell steht heute auf dem Festland. Ist das nicht spannend?

Die Landschaft wird wieder abwechslungsreich, felsig. Der Ätna dominiert alles. Wir finden es schön hier und finden in Aci Trezza ein mörderteures Hotel: „Eden Riviera“.

Da hatten wir schon x Versuche in anderen Hotels gemacht, immer die steilen Berge rauf, nachfragen, Absage, wieder runter und weiter zum nächsten. Nur dieses teure Hotel ist noch frei. Schließen wir uns halt wieder mal der High Society an. Leider bietet solch ein Hotel auch nicht mehr als ein kleines, billiges. Doch: einen Pool mit knackigen Ärschen (nämlich unseren).

Aber wenigsten essen werden wir nicht im Hotel. Also wieder den Berg runter (und abends im Rausch wieder hoch). Muscheln – hier ist die totale Muschelgegend. Wir essen diese Tage immer nur Muscheln und Fisch. Auch die Aussicht im Hotel ist bestens.

Mit Frühstück im Hotel versuchen wir es nicht erst. Aber 200 m weiter gibt es „Alimentari“, im Lebensmittelladen.

28.6.
Wir passieren Aci Reale, dann geht es mal wieder richtig in die Berge. Wenn wir die Hauptstraße verlassen und eine Nebenstraße am Wasser suchen, kommt es immer mal wieder vor, dass diese endet, weil da eine Brücke fehlt oder so etwas. Wir probieren es diesmal und haben Glück.

In der Bucht vor Taormina ankert ein Super-Luxus-Segel-Traumschiff. Günter hatte davon erzählt und hier sehen wir selbst so ein Ding.

Taormina ist so ein Ort, den wir nach Omas Hinweisen unbedingt besuchen sollen. Wir geben auch hier wegen der Steigung auf: Es wird wieder nichts mit Kultur. Allein die Uferstraße geht schon ziemlich in die Höhe, und Taormina geht sicher bis auf 700 m. Wir bekennen uns als Kulturbanausen. Außerdem scheint es von unten nicht so beeindruckend.

Dann kommt ein Stück, auf das ich mich schon die ganze Zeit gefreut habe. Straße und Autobahn ganz dicht am Meer, unter den Bergen. Es ist eine wunderschöne Etappe bis Messina. Bis kurz vor Messina, denn irgendwie geraten wir dann wieder in einen slumartigen Industrievorort.

Man sieht es dem Meer an, dass die Straße von Messina eine extreme Strömung hat. Die Schiffe kämpfen und kommen doch nicht recht vorwärts.

Wir hatten vor, weder um das Kap herumzufahren, noch durch die Berge. Wir wollten mal wieder ein Stück Boot fahren. Erste Erkenntnis: Heute fährt kein Boot. Zweite Erkenntnis: viel zu teuer. Wir suchen kurz nach einem Hotel und finden keines.

Also kurz entschlossen zum Bahnhof und mit der Bahn unter dem Gebirge durch nach Norden. Unterwegs überfällt uns die dunkle Nacht. Ich fühle mich sicher, aber Hanne denkt an ein grausiges Ende.

Wir steigen auf der Station Parco Nuovo mitten in nachtdunklen Industrieanlagen aus. Die Gegend sieht aus wie ein riesiger Verschiebebahnhof. Hier soll es ein Hotel geben? Hier soll der Touristenort Milazzo sein? Wir radeln durch die Dunkelheit, Hanne schimpft auf italienische Art ohne Pause auf alles in der Welt und besonders auf mich.

Und dann – Simsalabim – ein rosa Hotel, angestrahlt mit Kaskaden von Licht. Eine Oase für uns Wüstenreisende. „Silvanetta Palace“ – das klingt teuer, das ist teuer. Aber schön.

29.6.
Früh erkunden wir den ganzen Landzipfel von Milazzo. Fahren auf der Ostseite (Riviera di Levante) hoch und auf der Westseite (Riviera di Ponente) wieder runter. Hier war ich schon mal im Herbst 1998.

Die „Riviera“ hält nicht, was der Name verspricht. Wir gehen besser nicht baden. Wir werden das Gefühl nicht los, dass hier überall Abwasser ins Meer geleitet wird. Anderswo sicher auch, aber hier riecht man es.

In Falcone kommen noch ein paar Spaghetti in den Magen, denn jetzt geht es hoch zum Kloster der schwarzen Madonna. Das thront wie auf einer Wolke über dem Pass. Da geht kein Weg vorbei.

Es entsteht das Foto mit uns beiden, auf dem ich mit dem Daumen über die Schulter zeige: Das haben wir alles zusammen schon geschafft.

Auf der Abfahrt überholen wir einen Stau. Ursache: ein LKW hat in einer Kurve einen großen Container verloren(!) und der hat ein entgegenkommendes Auto begraben. Wir werden schnell durchgewinkt. Auf der anderen Seite wieder Stau und dann haben wir die leere Straße wirklich mal für uns.

Das Gelände ist wieder bergig, und die Straße klebt direkt über dem Meer an den Felsen. Wo es gar nicht anders geht, sind Tunnel gebaut. Das ist für uns immer ein besonderer Stress: wegen des Lärms, der Dunkelheit, der Kälte.

Hanne muß immer wieder erinnert werden, die Sonnenbrille abzunehmen. Sonst schlingert sie in ein schwarzes Loch.

Wir haben nicht mehr so viel Sonne, weil die Berge im Süden von uns stehen und extrem steil sind. Die Luft ist dunstig. Die Hitze haben wir im Süden zurückgelassen.
Irgendwann suchen wir uns ein Hotel in den Bergen mit guter Sicht. Hallo: Hier rennt eine dicke Ratte gleich neben der Treppe durch das Weinlaub. Wir nehmen vorsichtshalber die Räder mit ins Zimmer, soll meckern wer will.

30.6.
Heute wollen wir Cefalu erreichen. Da wird uns der Touristenstrom wieder einfangen.

Die alten Dörfer liegen oben auf den Bergen. Es führen abenteuerliche Straßen nach oben, mit riesigen Brücken und Galerien an den Felsen. Dort oben sind die Dörfer oft in den Wolken, und es gibt wohl ausreichend Wasser. Die Berge erreichen hier im Norden Siziliens immerhin 2.000 m (aber gottseidank nicht direkt an der Küste). Die Marinas am Meer sind jüngeren Datums.

Leider ist es uns mit den Rädern nicht vergönnt, mal schnell hoch zu fahren und einen der alten Orte zu besuchen. Wir stoßen wieder auf alte Festungen der Normannen, die noch im Dornröschenschlaf liegen.

Bald ist die markante Silhouette Cefalus zu sehen, der hohe Felsen und der Dom. Wir mieten uns vor der Stadt im „Pink Hotel“ ein, direkt am alten großen Naturhafen. Abends gehen wir mal richtig touri-mäßig aus, streifen durch die schöne alte Stadt und essen – natürlich Muscheln.

1.7.
Morgens haben wir wieder einen Tunnel vor uns. Es geht durch den Felsen von Cefalu. Wir verfahren uns gleich gewaltig und müssen umkehren, nachdem wir uns ein paar hundert Meter den Berg hochgequält haben.

Wir kommen durch Termini Imerese. Das ist wieder ein schöner alter Ort über dem Meer. Es ist nicht mehr besonders weit bis Palermo, wir haben noch viel Zeit. Wir sehen uns die Strände von Bagheria an, dem östlichen Badeort von Palermo. Natürlich baden wir auch.

Am späten Nachmittag geht es weiter in Richtung Palermo Zentrum und wieder fängt uns ein heißer, chaotischer, schmutziger Vorort ein. Aber das ist für mich bekanntes Gelände. Wir versorgen uns für die Überfahrt nach Genua mit allem, was der Markt hergibt: Kirschen, Pfirsiche, mehrere Sorten Oliven, Käse usw. Bald sind wir am Hafen.

Wir können als Fußgänger relativ schnell auf das Schiff. Die Autos müssen lange warten, weil eine riesige Menge nagelneuer luxuriöser Jeeps aller Fabrikate ausgeladen wird. Bei vielen reicht der Kraftstoff nicht mal zum Verlassen der Fähre, deshalb dauert es halt lange. Es sind sicher 100 Stück. Für diesen ganzen Luxus muss es ja Käufer geben in Sizilien! Gegen Mitternacht legen wir endlich ab, und Sizilien versinkt hinter uns.

2.7.
Auf der Fähre haben wir wieder viel Zeit zur Regenerierung. Einen vollen Tag nichts tun. Wir passieren viele kleine grüne Inseln, in deren Nähe Fischerboote herumdümpeln. Alles ist ganz beschaulich. So was gibt es halt auch noch in der modernen Welt. Beneidenswert.

Wir kommen spät in Genua an und müssen schnell eine Unterkunft finden. Wie von Sizilien gewohnt, halten wir nach einem Hotel mit 3 Sternen Ausschau, das war immer so unsere Zielpreisklasse. Aber hier ist das wohl anders. Im ersten ***Hotel sieht es schon unten schlimm aus. Der Portier fragt ganz vorsichtig, ob wir uns das Zimmer wirklich ansehen wollen. Ja. Na denn. Hanne geht mit dem Schlüssel hoch, und ich bewache die Räder. Sie ist schnell wieder unten und stürmt aus dem Hotel. Da sind nur Fidschies und Rabenschwarze, und das Zimmer ist nur durch deren Durchgangszimmer zu erreichen. Und so weiter. Gruselig.

Dann finden wir in Hotel mit Plakette „Vom ADAC empfohlen“. Wohl im Jahr 1900. Denn seitdem ist es nicht renoviert worden. Unten riecht es extrem nach Schimmel. Aber wir sind müde und nehmen das Zimmer. Der Portier nimmt uns die Ausweise ab mit der Bemerkung, dass die Polizei nachts oft kontrollieren kommt. Es seien viele Banditen unterwegs. Wir schlafen bei geschlossenen Fenstern und Türen, mit der Luftpumpe als Waffe unter dem Kissen. Die Banditen haben uns diesmal nicht erwischt.

3.7.
Ganz früh dann steigen wir in den Zug nach Norden. Diesmal geht es durch den Gotthard-Tunnel. Was ist das für ein imposantes Bauwerk! Die Bahn fährt unterirdisch in Schleifen von 540 Grad nach oben. Anders wäre der Höhensprung nicht zu bewältigen. Erst sehen wir einen Wasserfall von unten und nach dem Tunnel plötzlich von oben. Dementsprechend ist auch die übrige Strecke.

Und so geht es immer weiter nach Norden, bis wir wieder in Neubrandenburg sind. Das letzte Stück von Bahnhof nach Hause ist dann auch das Ende unserer schönen, spannenden Radtour.